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01.07.2014 - Kummer mit Kindern in Erlangen?
Anonyme Beratung: Seit 15 Jahren ist das Elterntelefon eine erste Anlaufstelle
ERLANGEN - Vor 15 Jahren ist das Erlanger Elterntelefon — als erstes in Bayern — auf Leitung gegangen. Seit 2001 gibt es bundesweit eine einheitliche Nummer für diese Telefonberatung. Ausgebildete Berater bieten allen Erziehenden, von Eltern über Großeltern bis hin zu Lehrern, Unterstützung bei Fragen, Problemen und Ängsten — und garantieren dabei Verschwiegenheit und Anonymität.
Ganz normal, dass Jugendliche sich selbst erproben — Erfahrungen mit Alkohol gehören meist dazu. Doch was können Eltern tun, wenn ihre Kinder zu viel Alkohol konsumieren? ©Archivfoto: dpa
ERLANGEN – „Unser achtjähriger Sohn und unsere zwölfjährige Tochter geraten sich andauernd in die Haare. Wir versuchen zwar immer zu schlichten, aber das nützt gar nichts. Wir wissen nicht mehrweiter. Können Sie uns sagen, was wir tun können?“
Eine Frau hat anonym die Telefonnummer 08 00-1 11 05 50 gewählt. Sie hat Marlene Lemmer in der Leitung. Das Gespräch mit der Beraterin beim Erlanger Elterntelefon dauert eine halbe Stunde. Danach hat die Anruferin ein besseres Gefühl. Sie weiß jetzt: Mit ihrem Problem sind sie und ihr Mann nicht allein, andere Eltern kennen die gleiche Situation. Und sie sieht Möglichkeiten, wie sie damit umgehen könnte.
Das Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“ war Vorbild, als der Erlanger Ableger des Kinderschutzbundes vor 15 Jahren mit dem Elterntelefon auf Leitung ging. Die Verantwortlichen waren zu dem Schluss gekommen, dass nicht nur Kinder ein niederschwelliges Hilfsangebot brauchen, sondern eben auch Erwachsene. In Bayern war das Erlanger Elterntelefon Vorreiter, seitdem sind Standorte in Bamberg, Dillingen, München und Rosenheim dazugekommen.
Das Elterntelefon will ein erster Ansprechpartner sein, um in den oft schwierigen Fragen der Erziehung kompetent zu beraten, zu unterstützen und zu begleiten. „Für Eltern kann es eine große Entlastung sein, wenn sie manche Probleme besprechen können“, sagt die erste Vorsitzende des Erlanger Kinderschutzbundes Angelika Will. Mittlerweile ist das Elterntelefon Erlangen, wie auch die Kinder- und Jugendtelefone, Mitglied in „Nummer gegen Kummer“, dem Dachverband des größten telefonischen und kostenfreien Beratungsangebotes für Kinder, Jugendliche und Eltern.
Elterntelefon-Beraterin der ersten Stunde in Erlangen war Marlene Lemmer, die auch im Vorstand des hiesigen Kinderschutzbundes ist. Sie arbeitet ehrenamtlich, ebenso wie 13 weitere Mitarbeiter, elf Frauen und zwei Männer. Alle in dem von Marlene Lemmer koordinierten Team haben eine 70-stündige Ausbildung durchlaufen, nehmen jährlich an Fortbildungen teil, bekommen Supervision.
Kleinkinder und Pubertierende
Die Themen, die in den Anrufen an die Berater herangetragen werden, sind „so breit gefächert wie es Erzieher gibt“, sagt Marlene Lemmer. Sie verändern sich, genauso wie die gesellschaftlichen Umstände. so gibt es zunehmend mehr Patchwork-Familien und entsprechende Anfragen.
Bei den Altersgruppen, um die es geht, ist die Grundschulzeit weniger vertreten. Vor allem Kleinkindsorgen und Schwierigkeiten mit pubertierenden Jugendlichen veranlassen die Eltern und anderen Erziehenden, Hilfe am Telefon zu suchen.
Bei Kleinkindern geht es häufig um die Trotzphase, um Schreien, Beißen, Einnässen, Konflikte mit Kindern. Bei Pubertierenden geht es darum, wie Eltern Grenzen setzen können oder auch um die Frage: „Wie bleibe ich mit meinem Kind im Gespräch?“ — zum Beispiel dann, wenn Jugendliche sich komplett aus dem Familienleben herausnehmen und regelmäßig mit dem Essen in ihrem Zimmer verschwinden. Zum Problem wird auch immer wieder, wenn Jugendliche zu viel Alkohol konsumieren.
Androhungen von Strafen sind selten die Lösung des Problems. „Man muss sich vorher überlegen, dass man eine Strafe auch durchsetzen muss, wenn man sie ausspricht“, gibt Marlene Lemmer zu bedenken. Gut sei es, nicht in Bausch und Bogen zu verdammen, was Jugendliche tun, ergänzt Angelika Will. Und es sei auch etwas daran, wenn es heißt, dass man Kinder bis zum Alter von sieben Jahren erziehen, sie danach aber nur noch begleiten könne.
Fest stehe, dass es Situationen gibt, in denen man Hilfe von außen braucht, sagt die Erlanger Kinderschutzbund-Vorsitzende. Allerdings, so die Erfahrung Marlene Lemmers, sei die Hemmschwelle bei Eltern nach wie vor groß, sich Hilfe zu holen. „Es kostet Überwindung, sich einzugestehen, dass man mit der Kindererziehung oder einem Teilbereich davon überfordert ist.“
Doch es tue gut, darüber zu reden und dann festzustellen, dass ein Problem etwas Normales sei und dass es andere Eltern mit genau den gleichen Problemen gebe. „Patentrezepte geben wir nicht“, schränkt Lemmer ein. Hilfreich sei aber schon die Aussicht, dass es sich um eine vorübergehende Situation handele.
Erziehungsberatung hilft weiter
Wenn „vieles im Argen liegt“, so Lemmer, sei es angebracht, dass Eltern sich an eine Erziehungsberatung wenden – zum Beispiel bei Caritas oder beim Kinderschutzbund. „Wir erleben immer wieder, dass Eltern sich nicht trauen, dorthin zu gehen“, sagt sie.
In jedem Fall könne das Elterntelefon ein erster Anlauf sein. Und in jedem Fall dürfe man hier anonym bleiben. Interessant zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass Erlanger Anrufe vom Festnetz aus auch beim Erlanger Elterntelefon landen. Wer dagegen vom Handy aus anruft, landet bei irgendeinem Elterntelefon in Deutschland.
Das Elterntelefon ist montags bis freitags von 9 bis 11 Uhr und dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr kostenlos unter der Rufnummer 0 800-111 0 550 zu erreichen.
EVA KETTLER